Als Thorbjørn Jagland, Leiter des Komitees für die Vergabe des Friedensnobelpreises, die Auszeichnung der Europäischen Union begründete, führte er an, dass diese über sechs Jahrzehnte entscheidend zur friedlichen Entwicklung in Europa beigetragen habe. Auch wenn dem Städtepartnerschaftsverein Friedrichsdorf e.V. im direkten Vergleich noch zwei Jahrzehnte fehlen – ein gutes Stück dieses Wegs hat der Verein bereitet, der am 2. November im Rathaus unter den Nationalfarben der vier Städte mit Musik, Gesang und Theater seinen 40. Geburtstag feierte.
So international wie die Freundschaften zwischen Friedrichsdorf, Houilles in Frankreich, dem britischen Chesham und Bad Wimsbach in Österreich sind, so vielfältig war auch die Schar der Gäste aus den Partnerstädten. Joel Zani, der Vorsitzende des Houiller Comité de Jumelage und Tina Pierce von Chesham Twinning Committee überbrachten Grüße der befreundeten Vereine – in deutscher Sprache.
Bürgermeister Horst Burghardt ließ eines der für ihn einschneidendsten Erlebnisse Revue passieren: Den Besuch bei französischen Kriegsveteranen in Houilles und die Gespräche mit diesen, die einige Zeit später in einen Besuch beim einstigen Todfeind in Friedrichsdorf gipfelten.
Etwas, wie Alt-Bürgermeister Wilfried Fey anmerkte, zu seiner Schulzeit vollkommen undenkbar gewesen sei, als „Hass und Schmäh“ an die Adressen der europäischen Nachbarn an der Tagesordnung waren. „Partnerschaften zu schließen war das Gebot der Stunde“, bestätigte Fey, der 1968 noch als Seulberger Bürgermeister erst die Urkunde der Partnerschaft mit Bad Wimsbach unterzeichnete und fünf Jahre später – dann als erster Bürgermeister der eben gegründeten Gesamtstadt Friedrichsdorf – auch seine Unterschrift neben die von Amtskollegin Gisèle Bernardou aus Houilles setzte.
Vor dieser Unterschrift, der noch weitere folgen sollten, stand jedoch die Gründung der „Gesellschaft zur Pflege internationaler Beziehungen e.V.“ im Juni 1972. 43 Frauen und Männer hoben den Verein für ein friedliches Europa in der Philipp-Reis-Schule (PRS) aus den Taufe und wählten Dr. Dieter Roghé zum Gründungsvorsitzenden. Roghé kam zur Feier zwar nicht selbst nach Friedrichsdorf, sandte jedoch Grüße, die die jetzige Vereinsvorsitzende Beate Pötzsch-Ahrens verlas.
Es war, als hätte Friedrichsdorf 1972 nur auf diesen Verein gewartet. Die Resonanz auf den Start des Projekts war überwältigend: Wenige Monate später hatte sich die Mitgliederzahl bereits verdoppelt, ein Jahr darauf zählte der Verein 100 Menschen. Heute sind es 186 Mitglieder – nach Hoch-Zeiten mit mehr als 300 Anhängern wachsen die Bäume nun nicht mehr in den Himmel.
Man suchte zunächst eine Stadt in Frankreich, schrieb an die 70 von ihnen an und knüpfte schließlich erste zarte Bande zu einer von ihnen. Friedrichsdorf „sei schön und habe den bezaubernden Charme einer Provinzstadt im Grünen“, so urteilte die Delegation aus Frankreich. Am 13. Oktober 1973 war es dann so weit: Während der Braderie – dem alljährlichen großen Flohmarkt in Houilles (siehe Bericht vom 25. Oktober 2012) – wurde der „Serment de Jumelage“, also die Verschwisterungsurkunde unterzeichnet, ein Jahr später feierten die neuen Freunde zu Pfingsten in Friedrichsdorf. Im fünften Jahr der Partnerschaft folgte der Schnupperbesuch einer Delegation aus Chesham, die ein Jahr später in die dritte und bisher letzte Friedrichsdorfer Partnerschaft mündete. 1986 schließlich verschwisterten sich auch die Partnerstädte aus Frankreich und Großbritannien miteinander.
Seitdem sind zahllose persönliche Freundschaften entstanden. Radler fuhren Hunderte von Kilometern zwischen den vier Städten hin und her, nach französischem Vorbild wurde in Friedrichsdorf ein Boule-Club gegründet, Künstler präsentierten ihre Arbeiten, Bälle und Feste wurden gefeiert, Tennisspieler und Volleyballer konkurrierten um Vier-Städte-Pokale, Läufer starteten bei der „Corrida“ – dem Volkslauf in Houilles.
Der Schüleraustausch (siehe auch unser Bericht vom 12. Oktober 2012) insbesondere mit Houilles ist dabei vielleicht die beständigste Institution: Mehr als 1.000 Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren haben unter den Fittichen von Brigitte Arnold Houilles und Paris besucht. „Auch heute noch ist solch eine Fahrt ein Abenteuer, bei dem man für’s Leben lernt“, betonte Beate Pötzsch-Ahrens. „So machen wir Europa lebendig.“ Tina Pierce gab der Hoffnung Ausdruck, dass der Jugendaustausch mit Chesham bald eine Renaissance erfährt. „Wir arbeiten daran“, sagte sie.
Lob für diese mittlerweile 40 Jahre währende Arbeit kam von Burghardt, den mit seinem französischen Amtskollegen Alexandre Joly eine enge Freundschaft verbindet „auch wenn wir uns der Arbeit wegen nicht so oft sehen, wie wir uns das wünschen würden“: „Solche Dinge sind viel mehr wert als ein Schild am Ortseingang mit einer langen Liste von Partnerstädten.“
Stellvertretend für die vielen Helfer und Unterstützer dankten Beate Pötzsch-Ahrens und Moderator Hajo Brüggemann jenen, die dem Verein seit der Gründung die Treue halten: Christine Schüppel, Ursula Dreefs, Klaus Bernhard, Ernst Pauly, Wilfried Fey und Wolfgang Pöschl – dazu wegen des langjährigen Engagements für Houilles und Bad Wimsbach Brigitte Arnold und Heinz Raab, dem Verantwortlichen für das Ressort Bad Wimsbach.
Mit französischen Chansons von Myriam Jabaly, die seit 1979 in Friedrichsorf lebt, Ausschnitten der kommenden Inszenierung des „English Drama Clubs“ der PRS sowie den Line Dancern des TV Seulberg klang die Feier bei Sekt und internationalen Snacks aus. Ein spontanes Geburtstagsständchen gaben Helena Selge und Karina Schaar, die während des Schüleraustauschs im Sommer Gastfamilien in Houilles kennenlernten.