In Zeiten, in denen Staaten in Europa vielfach Abschottung propagieren, setzt der Friedrichsdorfer Städtepartnerschaftsverein auf das genaue Gegenteil: Mehr Europa, mehr Freundschaft und Miteinander. So reisten fünf Vorstandsmitglieder im Juni auf eigene Kosten für ein Wochenende in das rumänische Städtchen Fogarasch (rum.: Făgăras, www.primaria-fagaras.ro). Den Anstoß gab ein Vorschlag der Friedrichsdorferin Hedda Hanna Stengel, die Ende der 80er Jahre während des Zusammenbruchs des Ceaucescu-Regimes nach Deutschland kam. Sohn Norbert Stengel lebt inzwischen wieder in Fogarasch und ist dort Vorsitzender des „Deutschen Forums“ der Siebenbürger Sachsen. Er und Bürgermeister Gheorghe Sucaciu luden den Vorstand des Partnerschaftsvereins zu dem zunächst inoffiziellen Besuch ein.
„Wir wollten sehen, wie die Gemeinde dort aufgestellt ist“, sagte Vereinsvorsitzende Beate Pötzsch-Ahrens. „Es wäre eine schöne Möglichkeit, hier in Friedrichsdorf Interesse für Rumänien zu wecken und eventuell Friedrichsdorfer Jugendliche in Projekte der dortigen evangelischen Gemeinde zu integrieren.“ Eine Städtepartnerschaft werde derzeit noch nicht in Betracht gezogen, betonte sie.
„Der Besuch war eine sehr intensive Erfahrung“, erklärt Beate Pötzsch-Ahrens. Die kleine Gruppe besichtigte außer den Sehenswürdigkeiten der Stadt mit Wehrkirche und Burg – der übrigens größten Befestigungsanlage in Siebenbürgen, in der heute Burgmuseum und Stadtbücherei untergebracht sind – auch ein nahe gelegenes Lipizaner-Gestüt. Den Schlusspunkt bildete das Kloster Sambatta de Sus, der wohl bedeutenste Wallfahrtsort und Mittelpunkt der orthodoxen Religion und Kultur in Siebenbürgen. „Interessant waren auch die verschiedenen Einflüsse in der rumänischen Küche“, berichteten die fünf Frauen. Schnitzel aus Österreich-Ungarn trifft auf Polenta (Ungarn), Suppen aus der türkischen Küche sowie Krautsalat und Fleisch am Spieß aus der Balkanküche. Immer jedoch beginnt das Mittagessen mit Schnaps oder Likör.
Fogarasch, eine 30.000-Einwohner-Stadt am Fuß der Karpaten, die per Flug über Wien und Sibiu zu erreichen ist, bildet einen ruhigen und ländlichen Gegenpol zum geschäftigen Rhein-Main-Gebiet. Dort leben Deutschstämmige neben Roma, Serben, Slowaken sowie Menschen aus der Ukraine und Ungarn. Insgesamt ist die Region um Fogarasch aber von einer fortgesetzten Bevölkerungsabwanderung nach Westeuropa und in andere Staaten Osteuropas betroffen.
Deshalb wollen Bürgermeister Sucaciu und Stadtrat Norbert Stengel den Tourismus insbesondere für Wanderer, Radfahrer, Reiter und Wintersportler fördern, um die Region zu beleben. Unter anderem hat das „Regionale Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Förderung des Tourismus“ im Fogarascher Land einen Reiseführer in deutscher Sprache herausgegeben. Gleichzeitig will Stengel der deutschen Minderheit mehr Gehör verschaffen.
Einer der Motoren innerhalb der deutschen Minderheit ist Pfarrer Johannes Klein. Seine Gemeinde ist in den Jahren nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes von über 2000 Siebenbürger Sachsen auf nur mehr 280 Menschen geschrumpft.
Der umtriebige und international gut vernetzte Geistliche kann mit zahlreichen sozialen Projekten für Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 17 Jahren punkten. Dazu gehören die Kinderuniversität im nahen Bekokten und die Seligstadter Kinderspielstadt. In Ergänzung zum Schulunterricht lernen dort Kinder aus Rumänien und den Donauanrainerländern Berufe kennen, gesellschaftliche Zusammenhänge, demokratische Werte und soziales Engagement – in deutscher und rumänischer Sprache. Unterstützt werden diese Projekte von 40 Sponsoren aus Rumänien, Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Kooperationen mit den Pädagogischen Hochschulen Ludwigsburg und Hamburg.
Während der dreitägigen Entdeckungsreise diskutierten Siebenbürger und Friedrichsdorfer jedoch auch über Möglichkeiten, das Interesse an Fogarasch und seiner Umgebung zu wecken. „Wir denken an Bürgerreisen und eventuell einen Jugendaustausch“, sagte Beate Pötzsch-Ahrens. Es sei wünschenswert, auch Kontakte in ein osteuropäisches Land herzustellen. Unter anderem mit der Philipp-Reis-Schule will der PartnerschaftsvereinGespräche führen, um zu sehen, ob dort Interesse vorhanden ist.